eVoting: Kritische Fragen als Grundlage
Die elektronische Stimmabgabe entspricht einem Bedürfnis der Bevölkerung. Doch die bisher in der Schweiz verwendeten Systeme genügten den Sicherheits- und Transparenzanforderungen nicht.
Systeme zurückgezogen
Im Juli 2019 zog die Post Ihr eVoting-System zurück. Die Bundeskanzlei hatte das System der Post einem öffentlichen Audit (sog. „Intrusionstest“) unterzogen, an dem sich Experten aus aller Welt beteiligten. Die dabei aufgedeckten Lücken erschienen der Bundeskanzei als zu gravierend für einen weiteren Einsatz. Die Post zog ihr System zurück. Im Juni 2019 hatte bereits der Kanton Genf sein eVoting-System gestoppt.
Seit Sommer 2019 ist damit für Schweizer Bürgerinnen und Bürger keine elektronische Stimmabgabe mehr möglich. Nun überarbeiten Bund und Kantone die rechtlichen und technischen Anforderungen. Dabei sollen die Lehren aus der vergangenen Versuchphase gezogen werden.
Kritik willkommen
Der Bund und die Kantone suchen nun den Dialog mit 23 in- und ausländischen Expertinnen und Experten aus Informatik, Kryptografie und Politikwissenschaften. Coronabedingt beschränkt sich dieser Dialog zunächst auf eine Online-Befragung. Mit einem ausführlichen Fragebogen werden die Fachpersonen dazu eingeladen, ihr Wissen und auch ihre Fragen, Bedenken und Anregungen einzubringen.
Die Fragen im Fragebogen sind sehr umfangreich und offen formuliert. Die Fachpersonen sollen ihre Sichtweise genau aufzeigen. Sie sollen auf die kritischen Punkte hinweisen undauch deklarieren, wie sicher sie sich in den einzelnen Aussagen sind. Die Ergebnisse der Befragung sollen die Grundlage für die Neuausrichtung des Versuchsbetriebs bilden. Auch eine Anpassung der Rechtsgrundlagen ist möglich.
Wissenschaft als Basis
Im Frühjahr 2019 beendete der öffentliche Intrusionstest den Versuchsbetrieb zur elektronischen Abstimmung. Diesem Versuchsbetrieb waren drei Versuchsphasen, von 2001 bis 2005, von 2006 bis 2012 und von 2012 bis 2017, vorausgegangen. Bereits 2013 hatte der Bundesrat in seinem zweiten Bericht zum eVoting in der Schweiz festgehalten, dass die damaligen schweizerischen eVoting-Systeme „verglichen mit international anerkannten vorbildlichen Praktiken zu wenig transparent“ seien. Mit der „individuellen Verifizierbarkeit“ und der vollständigen Verifizierbarkeit gelten seit 2013 erhöhte Sicherheitsanforderungen.
Der öffentliche Intrusionstest hatte 2018/2019 gezeigt, dass die bestehenden Systeme die Voraussetzungen nicht ausreichend erfüllten. Nachdem im bisherigen Prozess die externen Expertinnen und Experten erst am Schluss beigezogen worden waren, wird das Vorgehen nun umgestellt. Neu bilden die Inputs der 23 ausgewählten Expertinnen und Experten die Basis für den Neuanfang.
Weitere Informationen:
Bundeskanzlei: E-Voting: Dialog mit der Wissenschaft zur Neuausrichtung des Versuchsbetriebs, Medienmitteilung vom 23. Juni 2020, mit Fragebogen und Expertenliste